16.08.2016

Olivenölbetrug - Ein Standardvergehen

In seinem neuen Buch widmet Professor Günter Faltin ein ganzes Kapitel der sogenannten "Abbruchkante der Qualität". Lebensmittel werden so produziert, dass sie im Geschmack gerade noch das halten, was sie auf dem Etikett versprechen. Rezepturen sind auf billigste Zutaten ausgelegt, das Ergebnis muss in jedem Fall über dieser Abbruchkante bleiben. Läge es darunter, würde der unzureichende Geschmack vom Kunden erkannt, das Produkt bliebe in den Regalen der Supermärkte liegen. Wir leben in einem Land, in dem Küchenstudios blühen und teuerste Kücheneinrichtungen mit Erfolg vertrieben werden, Lebensmittel jedoch hauptsächlich über den Preis eingekauft werden. Beste Voraussetzungen also, um minderwertige Olivenöle erfolgreich zu vertreiben.
Bereits 2004 berichtete der Stern über die fragwürdigen Methoden im Olivenölhandel, die Redaktion erhielt daraufhin Drohungen in deutscher und italienischer Sprache. Zehn Jahre später, im Juni 2014, blickten die Stern-Journalisten erneut auf das Geschäft mit dem grünen Gold des Mittelmeeres. Ein junger italienischer Finanzpolizist stieß auf Unregelmäßigkeiten in der Buchhaltung der Firma Azienda Olearia Valpesana (AOV). Er beendete die Prüfung ohne Aufsehen, ging danach aber zur Staatsanwaltschaft. Diese installierte Wanzen in den Büros des Unternehmens und bekam einiges von den Ölhändlern zu hören. Man amüsierte sich über die Unfähigkeit der Steuerbehörden und gestattete tiefe Einblicke in die Arbeitsweise des Ölhandels. So beschwerte sich ein Kunde, der Öl in großem Stil abfüllt und auch an Supermarktketten nach Deutschland verkauft, beim Firmenchef über die Ölqualität, dass dieser ihm für den aufgerufenen Preis "Scheiße" liefere. Der Firmenboss Francesco F. blieb ungerührt. Für den Preis von 1,88 Euro je Liter können man nichts anderes erwarten. Im Jahr 2013 importierte Deutschland 57 Millionen Liter Olivenöl, Dreiviertel davon aus Italien. Der italienische Olivenölexperte und Merum-Herausgeber Andreas März schätzt den Anteil guten Olivenöls am Gesamtmarkt auf lediglich fünf Prozent. Am Etikett erkennen kann der Kunde das nicht, sind doch alle Olivenöle als nativ extra deklariert. Mit großem Marketingaufwand wird den Verbrauchern suggeriert, bei nativ extra handele es sich um die höchste Qualität. Dabei bezeichnet es nur einen eher geringen Mindeststandard, der vielfach noch unterlaufen wird. Der Lauschangriff auf die AOV dauerte zehn Wochen, im Anschluss wurden 7,7 Millionen Liter Olivenöl beschlagnahmt. Zwei Vorwürfe stehen im Raum: Zum einen soll ausländisches Öl falsch deklariert als italienisches Spitzenöl verkauft worden sein, zum anderen wurde das Öl gepanscht, um als nativ extra verkaufen werden zu können. Dabei wurden nicht nur geringe Qualitäten, sondern auch sogenanntes Lampantöl verwendet. Diese Öle sind zum Verzehr nicht geeignet und werden in Kosmetikartikeln oder bei Lacken und Farben beigemischt. Grundsätzlich ist das Verwenden von Lampantöl in Lebensmitteln untersagt, der Verstoß gilt als kriminelle Handlung. Bei der sensorischen Kontrolle durch ein zugelassenes Olivenölpanel galt ein Öl mit einer Fehlerintensität höher als 2,5 bis vor wenigen Jahren als lampante. Diese Grenze wurde auf Druck von Lobbyisten der Ölindustrie per EU-Dekret auf 3,5 angehoben. Durch diesen Trick waren große Mengen an Olivenöl wie durch Zauberhand wieder als Lebensmittel und damit auch zum Verschneiden offiziell zugelassen. Kurze Zeit später erlaubte die EU auch das Desodorieren von Olivenöl, ein Hochdruck-Reinigungs-Verfahren mit dem der muffige, fehlerhafte Geschmack reduziert bzw. eliminiert werden kann. Die Rezepte für den Verschnitt werden von "Experten" erstellt, deren Know-how dem der prüfenden Olivenölpanels in nichts nachsteht. So gelingt es, industrielle, müde schmeckende Olivenöle über die niedrigen Vorgaben für nativ extra zu hieven oder anders gesagt,
die Abbruchkante der Qualität mit Mühe zu erreichen. Die Käufer von Olivenöl wissen dagegen nicht, was sie da in ihren Einkaufswagen legen. Ein Olivenöl aus der Toskana lässt vom Urlaub träumen, in der Realität verkauft die Toskana fünfzig Mal mehr Olivenöl, als sie produziert.
In Deutschland beträgt der Verbrauch an Olivenöl pro Kopf und Jahr 0,7 Liter. Beim Spitzenreiter Griechenland sind es dagegen 15 Liter. Viele Menschen bei uns meinen, sie mögen den Geschmack von Olivenöl nicht. Ihre Einkäufe bei verschiedenen Discountern schmeckten alle gleich schlecht. Kein Wunder, stammen doch viele Olivenöle von den selben Großanbietern in Italien, für jede Kette mit eigenem Label versehen. Die geschmackliche Vielfalt von Olivenöl ist dagegen weitgehend unbekannt. Geschmacksnoten von Früchten, Gras, Artischocken, Banane, Tomaten oder Nüssen tauchen im unteren Preissegment nicht auf. Gute Olivenöle zeichnen sich neben differenzierten Fruchtnoten immer auch durch Bittertöne und Schärfe aus. Diese variieren je nach Olivensorte und passen oft hervorragend zu einzelnen Rezepten. Hervorgerufen werden Bitterkeit und Schärfe im Öl durch die Polyphenole, sprich Antioxidanzien, deren positive Wirkungen für die Gesundheit umfassend dokumentiert und unumstritten sind.
Laut Stern kosten gute Olivenöle bei uns zwischen 20,- und 30,- Euro je Liter. Preislich müssen sich die zait-Olivenöle da nicht verstecken. Da wir meist spezielle Chargen an Öl exklusiv anbieten, ist ein Preisvergleich nicht einfach. Bei gleichen Ölen sind die Preise meist deutlich höher. So kostet unser teuerstes Öl, der Tonkrug mit apulischem Tropföl, bei einem renommierten norddeutschen Anbieter stolze 22,- Euro, bei uns sind es ganze 18,- Euro. Zitronen- und Basilikumöl fanden wir im Fachhandel für 10,80 Euro, bei uns kostet die gleiche Menge 8,- Euro.

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